DVB-C2 und DVB-T2
Die Zukunft des digitalen Fernsehens
Der DVB-Standard gehört zu den erfolgreichsten Innovationen der TV-Geschichte. Nun bahnt sich mit DVB-T2 und DVB-C2 der nächste Evolutionsschritt an, doch Deutschland tut sich mit dem Wechsel in die Zukunft überraschend schwer.
Seit nicht ganz 20 Jahren verrichtet der DVB-Standard weltweit beste Dienste. Mit ihm untrennbar verbunden, sind die Begriffe Programmvielfalt, hohe Bildqualität und Übertragungsstabilität.
Doch die Zeit bleibt nicht stehen. Vor allem in den vergangenen drei Jahren hat sich die TV-Welt gravierend verändert. High Definition ist inzwischen Standard, interaktive TV-Dienste halten Einzug, und der mobile Medienzugriff erfährt ein rasantes Wachstum. Schon kündigt sich mit Ultra High Definition (UHD) die nächste Evolutionsstufe an. Sie bietet eine immense Bildqualität, ist aber auch extrem datenhungrig. All diese Angebote beanspruchen zunehmend Platz beim Transport. Das gilt für den Versand via Antenne, Mobilfunk sowie Kabel. Die Frage nach der Übertragungseffizienz der Netze wird daher dringlicher: Hinken die Netze den sonstigen Entwicklungen hinterher, entpuppen sie sich womöglich als Innovationsbremse.
Das neue DVB
Hier kommt die zweite Generation des DVB-Standards ins Spiel. Der Sat-Empfang hat ihn im Zuge der HDTV-Einführung schon vor Längerem umgesetzt. Für den Antennen- und Kabelempfang DVB-T2 und -C2 wurde dagegen noch kein Bedarf erkannt. In vielen Ländern ist DVB-T2 bereits im Einsatz wie etwa Großbritannien, Italien oder seit Kurzem Österreich. Der junge DVB-C2-Standard wurde im April 2010 veröffentlicht, ist aber noch nirgends im Regelbetrieb.
Die Gründe für die Zurückhaltung gegenüber der DVB-Zweitversion in Deutschland sind vielschichtig. Zum einen gehen die Einschätzungen für seine Notwendigkeit weit auseinander. Zum anderen folgen Kabel- und Antennennetze unabhängig voneinander mit eigenen Marktbedingungen.
Die Politik treibt an
Beim Antennenfernsehen steht derzeit eine umfassende Diskussion an, in die der Bund, die DVB-T-Netzbetreiber und die Mobilfunkanbieter involviert sind. Die Positionen wirken ziemlich verhärtet.
In ihrem "Strategiepapier 2016" zeigt die Bundesnetzagentur auf, dass sie den Breitbandausbau fürs Internet im Gleichklang mit Europa vorantreiben möchte. Sie ist für die Vergabe von Sendefrequenzen zuständig. Das Prekäre daran: Unter anderem will sie dem Breitband-Mobilfunk Frequenzen im 700-Megahertz-Bereich zur Verfügung stellen - und den nutzt bislang das Antennenfernsehen. Satte 30 Prozent der aktuellen DVB-T Übertragungskapazität drohen auf diese Weise wegzufallen.
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Als das Ansinnen bekannt wurde, begannen heftige Diskussionen. Ausgerechnet der wichtigste Netzbetreiber, die öffentlich-rechtliche ARD, bezieht - ganz unöffentlich - mit nur bruchstückhaften Informationen Position. Als Sprachrohr bringt die Deutsche TV-Plattform in einem aktuellen Positionspapier zum Ausdruck, dass die Frequenzen für einen Umstieg auf DVB-T2 sowie für einen längeren Zeitraum danach existenziell fürs Antennenfernsehen seien.
Jochen Mezger vom Institut für Rundfunktechnik (IRT) stimmt auf Anfrage von video zu, dass die Frequenzen zumindest für die Umstellung notwendig sind. Der Grund: Man will innerhalb einer Übergangszeit DVB-T und -T2 gemeinsam ausstrahlen ("Simulcast-Betrieb"), da die neuen DVB-Versionen auch neue Empfänger erfordern. Die Parallelausstrahlung soll den Wechsel kundenfreundlicher gestalten.
Zögerliche Entscheidung
Spätestens jetzt, im Rahmen der Frequenzdiskussion, wäre es also höchste Zeit für ARD und Kompagnon ZDF, aufs Gas zu drücken. Doch weit gefehlt: "Es gibt noch keine Entscheidung der ARD darüber, ob und gegebenenfalls wann eine Umstellung der terrestrischen Verbreitung ihrer Fernsehprogramme erfolgen soll", lautete noch bis vor Kurzem die stereotype Auskunft, die für beide Sender galt.
Erst knapp vor Fertigstellung dieses Berichts ließen ARD und ZDF endlich Neues vermelden - wenn auch wiederum äußerst zaghaft. Ab 2017 wolle man sukzessiv auf DVB-T2 umstellen.Voraussetzung: Um den Wechsel zu schaffen, benötige man bis mindestens zum Jahr 2020 die 700-MHz-Frequenzen.
Es liegen also noch einige Jahre vor den DVB-T-Kunden. Welche konkreten Neuerungen sie dann erwarten, darüber schweigen sich die öffentlich-rechtlichen Sender aus. Fragen zu High-Definition-Übertragungen oder störungsfreierem Mobil-TV-Empfang bleiben unbeantwortet. Die Sender KIKA und ZDFneo wolle man rund um die Uhr senden, so die Ankündigung.
Praxis: Sat-to-IP - Satelliten-Fernsehen per Netzwerk
Media Broadcast als weiterer DVB-T-Netzbetreiber ist konkreter. Eckpfeiler sind hier HDTV und mobiler TV-Empfang. Bereichsleiter Bernd Heimermann sieht die Notwendigkeit, den Verbrauchern sowie der Politik zu signalisieren, dass das Antennenfernsehen technisch am Ball bleibt und daher eine Existenzberechtigung hat. Dabei beansprucht auch er für die Umstellungsphase die viel diskutierten Frequenzen.
Ein Signal an die Politik hält auch Carine Lea Chardon vom Zentralverband Elektrotechnik- und Elektronikindustrie (ZVEI) für notwendig. Sie vermutet, dass der Bund von den DVB-T-Netzbetreibern "eine klare Aussage zu DVB-T2 will". Letztlich gehe es darum, keine Frequenzkapazitäten zu vergeuden.
Kein Stau im Kabel
Beim Kabel sehen die Bedingungen anders aus. Die Politik braucht sich hier derzeit nicht einzumischen: Eine akute Knappheit der "Ressource" Frequenz besteht nicht. Allerdings müssen auch die Kabelnetzbetreiber mit ihrer Übertragungskapazität wirtschaften. Über das Wie gehen die Meinungen abermals weit auseinander. So rechnet der größte Netzbetreiber, die Kabel Deutschland GmbH (KDG), mit einer weiter steigenden Zahl an High-Definition-Sendern. Zudem kommen laut Christoph Schaaf, Bereichsleiter Neue Technologien, laufend Internet-Dienste wie Video on Demand in HD hinzu. Und Ultra High Definition (UHD) blickt man als nächster Bildqualitätsstufe entgegen.
Ultra HD - Die neue Generation des Fernsehens
Für solche Angebote will die KDG mit DVB-C2 Platz schaffen. "Wir sehen das als einen wesentlichen Innovationsschritt", stellt Schaaf klar. Die KDG übernimmt dabei eine Vorreiterrolle. Seit Juni testet der Betreiber in Berlin, Hamburg und München den neuen Standard. Die Ergebnisse seien durchweg positiv. "Wir möchten daher loslegen", so Schaaf. Dabei sieht er UHD als Chance. Sowohl für DVB-C2 als auch für UHD benötigt der TV-Zuschauer neue Empfänger. Es biete sich an, beide Innovationen nun gemeinsam einzuführen.
Verschiedene Meinungen
Gäbe es nur einen Kabelnetzbetreiber, wäre der neue DVB-Standard hier also bald eingeführt. Doch die Mitbewerber gehen das Thema anders an. Der zweitgrößte TV-Netzbetreiber, Unitymedia Kabel BW, sieht zwar ebenfalls die Notwendigkeit für DVB-C2. "Konkrete Zeitpläne zur Umrüstung unserer Netze auf DVB-C2 haben wir allerdings nicht", gibt Daniel Hesselbarth, Director CPE & Product Innovations, Auskunft. Erst wenn UHD "großflächig verfügbar" sei, wolle man loslegen.
Reinhard Sauer von der Tele Columbus Gruppe zweifelt wiederum generell an C2. Er betrachtet die Internet-Übertragung als Lösung für etwaige Kapazitätsengpässe. Bis dahin sei DVB-C hinreichend leistungsfähig. Neben den großen Netzbetreibern gibt es in Deutschland zudem noch viele kleine Versorger. Diese haben sich zum Thema bislang noch nicht geäußert.
Hersteller ohne Meinung
Die dritte große Gruppe im DVB-Bunde sind die TV- und Boxen-Hersteller. Sie betrachten die Situation derzeit eher neutral. Das Credo lautet, dass die Entscheidung für oder gegen die DVB-Zweitversion Sache der Netzbetreiber sei. Bis dahin halte man sich mit entsprechenden Geräten zurück. Empfänger für C2 und T2 würden problemlos auch die alten Standards beherrschen. Sony bietet derzeit allerdings als einziger Hersteller TV-Geräte für DVB-C2 an. Fürs Antennenfernsehen ist die Zahl größer, da man die Nachfrage anderer Länder bedienen will. So kommt Deutschland immerhin als Nutznießer zum Zug.
Fazit
DVB-T2 bringt störungsfreieren Mobil-TV-Empfang und High Definition. DVB-C2 gehört zu den Wegbereitern von UHD. Das sind echte Mehrwert-Angebote für den TV-Zuschauer.
Noch hat UHD bei den Verbrauchern einen geringen Bekanntheitsgrad. Das dürfte sich aber bald ändern. Auch die Anforderungen an DVB-T werden dabei steigen. Stabiler Mobil-TV-Empfang ist ein wichtiges Argument fürs Antennenfernsehen, und Full HD wollen die Zuschauer sicherlich ebenfalls bald. Die öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten werden daher bald konkreter werden müssen. Die Einführung von DVB-C2 im Kabelnetz dürfte dagegen uneinheitlich erfolgen. Beginnen wird sie spätestens mit dem ersten UHD-Programm, das die Satellitenkonkurrenz startet. Und dann besteht Zugzwang.
Die Technik: DVB-C2 und -T2
Die wichtigste Stellschraube bei der zweiten Generation von DVB-C und -T ist die Quadratamplitudenmodulation (QAM). Sie stellt eine Kombination aus den altbekannten Amplituden- und Frequenzmodulationsverfahren dar, mit denen man bereits analoge Video- und Audiosignale ausgestrahlt oder gespeichert hat. Dabei werden Radiowellen in ihrem Ausschlag (in Grafik 1: "AM") oder in ihrer Frequenz (in Grafik 1: "FM") gezielt verändert (moduliert), sodass sie ein gewünschtes, "aufmoduliertes" Nutzsignal übertragen (in Grafik 1: "Signal").
Die dargestellten, modulierten Wellen können in jedem Moment allerdings lediglich einen Zustand einnehmen - und damit auch nur eine einzelne Information übertragen. Dank QAM und Digitalsprache sind inzwischen jedoch zeitgleich zahlreiche Zustände und damit auch entsprechend viele Video- und Audio-Informationen übermittelbar. Bei DVB-T sind es 64 Zustände (64 QAM), DVB-C schafft 256 Zustände (256 QAM).
DVB-T2 erreicht dagegen 256, DVB-C2 1.024 QAM, was eine deutliche Effizienzsteigerung darstellt. Zur Veranschaulichung: Das Kabelnetz bewältigt derzeit rund fünf Gigabit pro Sekunde Datenrate. Mit C2 kämen fast drei Gigabit hinzu.
Dies entspricht einer Kapazität für 300 weitere HDTV-Sender. Das Labor-Foto zeigt ein solches 1.024-QAM-Diagramm. Jeder Graubereich darin entspricht einem sogenannten Symbol. Aus ihnen setzen sich die Video- und Audio-Signalinformationen zusammen.
Um eine größere Anzahl von Zuständen zeitgleich übermitteln zu können, bedarf es nicht nur hochentwickelter Modulatoren, um die Signale zu erzeugen und auszustrahlen. Auch der entsprechend exakte Signaltransport durch die Netze muss möglich sein, damit die Empfangsgeräte die Infos fehlerfrei erhalten. Die jetzige Infrastruktur der Netze entspricht den Anforderungen der jeweils zweiten DVB-Generation. Der Standard selbst erlaubt allerdings noch Wachstum. Experimentell hat man bereits 2.048 und 4.096 QAM erprobt.
Hierfür würden dann etwa Glasfaserkabel benötigt, um die entsprechend hohe Präzision beim Signaltransport zu erreichen. Die DVB-T-Verbreitung scheint für solche QAM-Stufen derzeit ungeeignet zu sein.
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