Raumklang
3D-Sound mit Dolby Atmos und Auro-3D
Echter 3D-Sound erhält gerade seinen Startschuss mit Auro-3D und Dolby Atmos. Alles wissenswerte über die dreidimensionale Tonwiedergabe erfahren Sie hier.
Mit Dolby Atmos und Auro 3D soll echter 3D-Sound endlich möglich werden - auch wenn die Idee nicht neu ist: Die Tonwiedergabe der letzten 100 Jahre war eigentlich recht eingeschränkt. In den ersten Jahrzehnten gab es nur einen einzelnen Schalltrichter: "Mono" sagt man heute. Darin steckte noch keine echte Rauminformation. Dennoch konnte unser Gehör recht gut damit umgehen.
In den Fünfzigern kamen die ersten kommerziellen Produkte mit zweikanaligem Stereo in Form der Langspielplatte auf den Markt und damit immerhin eine Raumdimension: die Breite. Im Kino ging man sogar schon einen Schritt weiter: Nach Experimenten von Disney in den 40er-Jahren mit Rundum-Beschallung führte unter anderen Todd-AO das ein, was wir heute unter Surround verstehen, mit in diesem Falle fünf Lautsprechern hinter der Leinwand und einer Batterie Boxen um die Zuschauer herum als Surrounds und damit die zweite Raumdimension: die Tiefe.
Sehr lange blieb das so - mit gelegentlichen Ausnahmen mit einem einzelnen Deckenlautsprecher für Effekte wie der "Stimme Gottes" (Voice of God) oder dem Top-Center in IMAX-Kinos, der aber vor allem dem Erzähler in Dokumentarfilmen vorbehalten war. Beides diente eher weniger der dritten Raumdimension.
Schon in den 80er-Jahren wurde hinter den Kulissen mit echtem dreidimensionalem Ton experimentiert, etwa mittels Tetraphonie mit Lautsprechern in der Anordnung einer gleichschenkeligen Pyramide. Das klang faszinierend, kam aber aus verständlichen Gründen nie zum kommerziellen Einsatz.
Seit der zweiten Hälfte der 90er produzieren einige wenige Studios ernsthaft dreidimensionale Aufnahmen, die sich teilweise sogar kaufen ließen. Ein Standard ist beispielsweise TMH 10.2 von Tomlinson Holman, dem wir auch die ursprüngliche THX-Norm zu verdanken haben.
Bei all diesen neueren Aufnahmen gibt es wenigstens zwei zusätzliche, nach oben unter die Decke versetzte Frontlautsprecher. Die Surrounds blieben sozusagen noch alle am Boden. Solche Aufnahmen verkaufte beispielsweise das Klassiklabel MDG auf SACD und hat das Verfahren 2+2+2 genannt. Auf diesen Zug sind auch einige andere Hersteller aufgesprungen, und die üblichen Verdächtigen wie Dolby und DTS bauen inzwischen auch Decoder, die sogar aus vorhandenen Aufnahmen die passende Rauminformation zum Füttern der zusätzlichen Front-Höhenkanäle extrahieren.
Die Wiedergabe solcher Aufnahmen klingt deutlich plastischer und lebendiger als die klassische mit Lautsprechern nur auf der Hörebene. Das gilt sogar für die nur aus normalen Aufnahmen gewonnenen Informationen mittels nachträglicher Berechnung. Die Wiedergabe mit zusätzlichen Informationen aus der Höhe kommt dem natürlichen Hören nochmals näher.
Es geht auswärts
Der Schritt von lediglich Höhenkanälen in der Front zur dritten Dimension für den gesamten Raum liegt nahe, scheiterte aber lange Zeit daran, dass selbst in HDMI standardgemäß nur acht Audiokanäle übertragen werden können. Nur mit den vorderen Höhenkanälen auszukommen oblag seit der Einführung von Dolby ProLogic IIz 2009 für die Filmwiedergabe nur sogenannten Matrix-Systemen wie etwa dem von Dolby, DTS Neo:X und dem ebenfalls recht verbreiteten AudysseyDSX.
Ähnlich wie bei traditionellem ProLogic lassen sich für diese Verfahren auch speziell Soundtracks codieren, um recht exakt Klänge in allen Kanälen, auch den oberen, zu platzieren. Dies aber ist nur für DTS Neo:X auf ein paar wenigen Blu-ray Discs geschehen, etwa bei dem 3D-Science- Fiction-Film Dredd. Audyssey und DTS beherrschen neben den Front-Höhenkanälen auch zusätzliche sogenannte Front-Wide-Kanäle, die die oft zwischen der Bühne und den Surrounds auftretende Abbildungslücke füllen.
Nun aber kommen mit Auro-3D und Dolby Atmos endlich diskrete Verfahren auf den Markt. Das Henne-Ei-Problem zwischen Content und Decodern dürfte bei beiden Varianten schnell gelöst werden, denn in der Profiwelt sind sie seit Jahren etabliert. Speziell in Deutschland ist Auro-3D ein wenig im Nachteil, da es bislang nur in einem Kino eingesetzt wird; das sieht in anderen Ländern ganz anders aus. Dafür liegen schon rund 200 in Auro-3D gemasterte Musikproduktionen in den Archiven, die nur auf ihre Veröffentlichung warten.
Beide Signale, Auro-3D und Dolby Atmos, lassen sich abwärtskompatibel auf Blu-ray speichern und durch bestehende HDMI-Standards übertragen. Der Decoder muss hierfür jeweils hinter der HDMI-Strecke liegen.
Die Koexistenz der Systeme
Auro-3D versteckt die Höhenkanäle in (verlustfrei komprimiertem) 5.1- oder 7.1-Digitalton. Die Höhenkanäle sind mit einem mathematischen Trick in die normalen Kanäle eingewoben. Wer keinen Auro-Decoder besitzt, hört somit ebenfalls alle Kanäle. Ein Auro-3D-Decoder erkennt das Signal selbstständig und entflechtet die Kanäle wieder. Das Verfahren kostet vier Bit mathematische Redundanz, die Aufnahmen haben also "nur" noch 20 statt 24 Bit Auflösung. Auro-3D verwendet mindestens je zwei Höhenkanäle vorne und hinten, optional einen Höhen-Center und den Voice-of-God-Kanal. Die Höhenlautsprecher sollen etwa um 30 Grad nach oben versetzt positioniert werden. Auf der Hörebene bleibt alles wie gewohnt.
Dolbys Atmos-Signal verarbeitet ein Nicht-Atmos-Decoder wie normales 5.1- oder 7.1-TrueHD. Die Zusatzinformation steckt in einer Erweiterung, die der Atmos-Decoder zunächst decodieren muss, um sie dann aus dem Downmix für gewöhnliche Decoder bitgenau zu subtrahieren. Übrig bleiben die "Beds", die Standard-5.1- oder 7.1-Kanäle mit statischen Informationen. Dazu werden nun bis zu 16 Klang-Objekte gerendert. Das sind isolierte Klänge, etwa ein Windrauschen, ein Flugzeug, Schritte völlig frei im Raum platziert, also nicht nur in den Höhenkanälen. Der Dolby-Algorithmus benötigt dazu mindestens 5.1 auf der Hörebene und zwei Deckenlautsprecher. Standard sind vier Schallquellen von oben. Erlaubt sind bis zu 24 Kanäle auf der Hörebene plus zehn an der Decke entlang.
Kürzlich ging ein Aufatmen durch die Szene, als endlich Auro Technologies und Dolby ihre Whitepapers veröffentlichten und klar war, dass die äußere Platzierung der Deckenlautsprecher von Atmos mit der Positionierung von Auro-3D übereinstimmt. Somit ist ein gemeinsamer Aufbau für beide Raumklangverfahren im Heimkino realisierbar.
Welches der beiden Verfahren besser ist und sich durchsetzen wird, lässt sich noch nicht sagen. Aus der bisherigen Erfahrung können wir nur feststellen, dass beide Verfahren toll klingen und in der Praxis ebenbürtig sein dürften. Was die Dominanz angeht, ist aus jetziger Sicht mit einer langen Koexistenz zu rechnen, ähnlich wie zwischen Dolby und DTS. Aktuell sind mehr AV-Receiver mit Atmos angekündigt als mit Auro-3D; wie die Verbreitung aber in zwei Jahren aussieht, steht in den Sternen.
Hinter vorgehaltener Hand geben die üblichen Verdächtigen der Hersteller alle zu, bereits mit dem jeweils anderen Lager zu verhandeln. Das gleiche gilt für Blu-ray-Titel. Hier hat Auro-3D zurzeit die Nase vorne, das kann sich aber schon nach Weihnachten ändern. Immerhin wird sogar der Auro-eigene Top-Vorverstärker das konkurrierende Dolby Atmos decodieren können. Der wiederum basiert auf einer Hardware von Datasat, der Profi-Abteilung von DTS. Damit sitzen dann wieder alle im selben Boot.
Fazit
Zum jetzigen Zeitpunkt sind Auro-3D und Dolby Atmos zunächst etwas für echte Fans mit einem separaten Kinoraum, in dem sich noch einige Strippen unauffällig verlegen und weitere Lautsprecher anbringen lassen. Das klangliche Potenzial bei beiden Systemen ist gross und neben atmosphärisch dichteren und effektvolleren Filmen auch für Musik ein echter Gewinn. Dolbys Idee, beim Atmos-Lautsprecher den Schall von unten über die Decke reflektieren zu lassen, ist ein interessanter Kompromiss. Wir verfolgen gespannt die weitere Entwicklung.
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