Wer aufzeichnet, zahlt

Überspielungsrechte: Streit um neue Tarife

11.4.2012 von Volker Straßburg und Andreas Greil

Firmen der Unterhaltungselektronik und Verwertungsgesellschaften streiten sich vor Gericht. Der Grund ist die Höhe der Abgaben an die Künstler. Zahlt der Verbraucher die Zeche?

ca. 5:10 Min
Ratgeber
  1. Überspielungsrechte: Streit um neue Tarife
  2. Interviews zum Thema: Gebühren für Überspielungsrechte
Justizia-Statue
Justizia-Statue
© Hersteller/Archiv

Es rumort gewaltig in der Unterhaltungsindustrie. Die Firmen fühlen sich über den Tisch gezogen. Der Streit schwelt zwar noch hinter geschlossenen Türen, doch er beschäftigt bereits die Justiz. Und die Kunden sind betroffen, ohne davon zu ahnen.

Es geht um Abgaben an die Zentralstelle für private Überspielungsrechte (ZPÜ). Die gibt es bereits seit 1963: Sie kontaktiert im Auftrag der deutschen Verwertungsgesellschaften Hersteller und Importeure von Unterhaltungselektronik, PCs und Speichermedien. Das von der ZPÜ eingenommene Geld kommt schließlich den Künstlern als Entschädigung für die Nutzung ihrer Werke zugute. Die wohl bekannteste Verwertungsgesellschaft ist die GEMA, die in der Musikwelt zu Hause ist. Andere Gesellschaften setzen sich etwa für Fotografen oder Filmschaffende ein.

Der Zweck dieser Gesellschaften ist an sich löblich und allgemein anerkannt. Dennoch sorgen Gesetzesänderungen und eine in der Folge neue Ausgestaltung der Abgabentarife für erheblichen Unmut bei vielen Herstellern von Unterhaltungselektronik. Inzwischen klagt der Zentralverband Elektrotechnik- und Elektronik-Industrie e.V. (ZVEI) in ihrem Namen.

Wer aufzeichnen kann, zahlt


hardware, home entertainment, blu-ray
Blu-ray-Rekorder wie etwa von Panasonic nehmen auf Scheibe und auf Festplatte auf. Die ZPÜ möchte hierfür unterm Strich 39 Euro pro Gerät kassieren. Ohne Festplatte wären es 22 Euro.
© Hersteller/Archiv

Besitzen Sie einen TV-Receiver mit Festplatte? Dann hat die ZPÜ auch von Ihnen Geld erhalten. Denn allein die Möglichkeit, Filme oder Musik aufzeichnen zu können, verpflichtet zu einer Vergütung an die Künstler.

Der Festplatten-Rekorder ist dabei nur eines von vielen Beispielen. Abgaben werden für jedes Medium fällig, mit dem sich irgendetwas speichern lässt, das urheberrechtlich geschützt ist. Daher blecht man etwa auch für jeden USB-Stick, jede externe Festplatte, jede DVD oder jeden Fernseher und Blu-ray-Spieler mit Aufnahmemöglichkeit. Selbst wenn TVs oder Boxen lediglich einen USB-Anschluss für Festplatten bieten, um eventuell aufzeichnen zu können (USB-Recording), erhält die ZPÜ ihren Obolus.

Der Zahlzwang nützt allerdings nicht nur den Künstlern, sondern auch den Verbrauchern. Denn laut geltendem Urheberrecht entsteht erst durch die Abgabe die Möglichkeit, zu Hause legal Filme und Musik zu speichern. Man erwirbt damit also die Erlaubnis, für private Zwecke aufzuzeichnen oder zu kopieren, sofern kein Kopierschutz das Vervielfältigen untersagt. Entsprechend behandelt das Gesetz das gesamte Thema unter dem Begriff "Privatkopie".

Überwiesen wird das Geld jedoch nicht vom Kunden, sondern von den Herstellern und Importeuren der Produkte. Und die ärgern sich, da sie aus ihrer Sicht zu viel bezahlen sollen.

Feilschen für den guten Zweck

Mitverantwortlich für den Groll ist eine Gesetzesnovelle von 2008. Bis zu diesem Jahr wurde die Höhe der Abgaben kurz und knapp gesetzlich festgelegt. Um jedoch den ständig neuen, auf den Markt drängenden Gerätegattungen gerecht zu werden, sollen laut neuem Gesetz ZPÜ und Industrie die Abgabenhöhe miteinander aushandeln.

Zudem ist nun für jedes Gerät zu ermitteln, inwieweit der Verbraucher es tatsächlich zum Speichern urheberrechtlich relevanter Audio-, Video- oder sonstiger Dateien nutzt. Bei einem Fernseher mit integrierter Festplatte stellt man also zum Beispiel die Frage, wie oft am Tag der Besitzer damit Filme aufzeichnet.

Bei den meisten Tarifen jedoch konnten sich die Firmen der Unterhaltungselektronik und die ZPÜ nicht einigen. Inzwischen feilscht man vor dem Oberlandesgericht München weiter. Das Gericht als letzte Lösungsinstanz wurde von der Gesetzesnovelle für solche Situationen eingeplant.

"Die ZPÜ verlangt zu viel"

USB-Recording
Der neueste Trend ist USB-Recording. Für entsprechende Set-Top-Boxen sollen 13 Euro fällig werden. Für TVs gleicher Couleur hat die ZPÜ noch keinen Tarifwunsch veröffentlicht.
© Hersteller/Archiv

Der ZVEI vertritt die Interessen der Firmen der Unterhaltungselektronik vor Gericht. Während diese mit Verweis auf das schwebende Verfahren keine Auskünfte erteilen möchten, findet der Rechtsanwalt Till Barleben, Urheberrechtsexperte des ZVEI, klare Worte: "Die ZPÜ verlangt eindeutig zu viel." Dabei stehe nicht nur die Nutzungsdauer der vielfältigen Rekorder-Typen zur Disposition. Barleben spricht auch von etwaigen Doppelbelastungen: So zahle der Konsument beim legalen Herunterladen eines Liedes mit dessen Kaufpreis eine Lizenzgebühr.

Zum Teil können laut Anbieter mit diesen sogar weitere Kopien abgedeckt sein. Er erwirbt auf diese Weise eine "Individuallizenzierung". Möglich ist auch, dass der Rechteinhaber das Lied gratis anbietet. Für den Multimedia-Player, auf dem das Lied landet, wurde dennoch schon vorab per "Pauschalvergütung" an die ZPÜ überwiesen. Dieses Aufsummieren der Abgaben will die Industrie verhindern und ihre Forderungen entsprechend deutlich kürzen.

Ein weiterer Kritikpunkt laut Barleben: "Es ist rechtlich nicht tragbar, dass die ZPÜ rückwirkend eine Vergütung verlangt." Denn obgleich die Tarife erst noch festzulegen sind, fordert sie je nach Gerätegattung bereits für die Jahre ab 2008 Abgaben. "Das ist für die Firmen nicht tragbar, da sie mangels Tarif die Höhe der Abgabe bislang nicht in die Produktpreise einkalkulieren können."

Nicht nachvollziehbar ist für ihn auch, dass die ZPÜ fast durchweg höhere Abgaben als nach altem Recht verlangt. So habe bis 2008 die Vergütung für Fernseher mit integrierter Festplatte 12 Euro betragen. Nun verlange die ZPÜ laut Tabelle 34 Euro.

ZPÜ: "Alles rechtens"

Die ZPÜ wiederum hält alle Forderungen für berechtigt. Dabei verweist sie auf die in Auftrag gegebenen empirischen Untersuchungen, nach denen die Nutzungsweise von Speichermedien von neutralen Unternehmen beurteilt wurden. Diese und der Abgleich mit den Verhandlungspartnern führen letztlich zu den laut Gesetz anzustrebenden "angemessenen" Abgaben.

Die ZPÜ bezeichnet ihre Forderungen auch nicht als "rückwirkend". Sie macht darauf aufmerksam, dass laut Gesetz bis zu fünf Jahre vergehen dürfen, bis der jeweilige Tarif feststeht. "Die durch die Gesamtvertragsverhandlungen folgende zeitliche Verzögerung ist somit Folge der gesetzlichen Regelung", so die ZPÜ. "Die ZPÜ kann deshalb Ansprüche nach den §§ 54 ff. des Urheberrechtsgesetzes auch für Zeiträume geltend machen, die vor der Veröffentlichung eines Tarifs liegen.

Hierin liegt keine Rückwirkung eines Tarifs, insbesondere keine Rückwirkung im rechtlichen Sinne." Daher hätten die Unternehmen schon während der Verhandlungen zu entscheiden, in welcher Höhe sie Vergütungen in die Produktpreise einkalkulieren. "Wie die Praxis zeigt, ist eine solche Kalkulation möglich."

Tatsächlich verfahren zumindest einzelne Firmen genau in dieser Manier und haben vor einiger Zeit Preise erhöht, um Rücklagen zu bilden. Oder sie haben die Ausstattung ihrer Geräte entsprechend verändert. Es gibt auch Firmen, die zumindest einen Teil der ZPÜ-Forderungen bereits begleichen. Laut Till Barleben haben viele jedoch noch gar nicht reagiert.

Und der Verbraucher?

Fernseher mit Festplatte
Fernseher mit integrierter Festplatte bieten hohen TV-Komfort. Für die Künstler sollen dabei 34 Euro pro verkauftem Gerät herausspringen.
© Hersteller/ Archiv

Ob sich die Vergütungen nur zum Teil oder komplett in den Preisen widerspiegeln, hängt letztlich vom jeweiligen Hersteller ab. Lina Ehrig, Referentin Telekommunikation und Medien des Bundesverbands der Verbraucherzentralen in Berlin, geht davon aus, dass der Verbraucher in der einen oder anderen Weise die Zeche bezahlt: "Dies ist die Kehrseite der Medaille."

Im Recht auf eine Privatkopie sieht sie für den Verbraucher allerdings einen "enormen Nutzen". Wie viel er für diesen Nutzen bezahlt, sei jedoch kaum nachvollziehbar, kritisiert sie. Laut einem Gutachten von Rechtsanwalt Dr. Till Kreutzer, das die Verbraucherzentrale in Auftrag gegeben hat, hält sich die ZPÜ mit der Veröffentlichung von konkreten Zahlen sehr zurück.

Daher lassen sich der Gesamtbetrag der Zahlungen und die etwaige Mehrbelastung des Verbrauchers kaum ermitteln. Nicht eindeutig nachvollziehbar ist auch, ob die Abgaben im Verhältnis zur Rechtewahrung der Künstler stehen. "Das System ist in unseren Augen sehr ambivalent zu beurteilen. Wir würden uns für den Verbraucher deutlich mehr Transparenz wünschen", resümiert Lina Ehrig.

Die Schweizer sorgen bis zu einem gewissen Grad selbst dafür. In der Schweiz findet der Kunde auf der Rechnung für ein gekauftes Gerät einen zusätzlichen Posten. Dieser weist exakt aus, wie hoch der Anteil der Urheberrechtsabgabe ist. So kann sich der Verbraucher ein Bild machen.

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