Testbericht
Test: Toshiba 55ZL2G - 3D-TV ohne Brille
Kein Gerät wurde so sehnsüchtig erwartet wie der weltweit erste Großbildfernseher, der 3D ohne Brille darstellen kann. Wir haben als erste Redaktion Europas ein serienreifes Vorabmuster in unseren Labors unter die Lupe nehmen dürfen.
- Test: Toshiba 55ZL2G - 3D-TV ohne Brille
- So funktioniert 3D ohne Brille
So positiv und vielversprechend die Ankündigungen und Gerüchte über seine Fähigkeiten sind, so ernüchternd sind die Verschiebungen der Markteinführung: Doch letztlich hat Toshiba Wort gehalten mit der Behauptung auf der vorletzten CES, im Geschäftsjahr 2011 einen großformatigen, brillenlosen 3D-Fernseher auf den Markt zu bringen. Das besagte Geschäftsjahr endet in Japan nämlich erst im März 2012.
Und das ist der Zeitpunkt, in dem in Toshibas polnischer TV-Fabrik Kobierzyce die ersten europäischen Exemplare des innovativsten Fernsehers 2012, des 55ZL2G, vom Band laufen werden. Für Toshiba ein besonderer Grund zum Feiern, und an diesem historischen Event wird sogar ein Leser von Video-HomeVision teilnehmen dürfen.
Nur in Japan stehen bereits seit Dezember einige (wenige) Geräte im Handel, und einer dieser sorgsam gehüteten Superfernseher dient Toshiba in Deutschland zu Vorführzwecken. Nach langen Verhandlungen konnten wir dieses Muster mit frischester Firmware für einige Tage in unserer Redaktion begrüßen, um uns erstmals unter Laborbedingungen mit eigenen Testsequenzen und -verfahren von der Qualität von 3D ohne Brille überzeugen zu können.
Dann kam der TV, bestens verpackt in der größten Holzkiste, die in unserer Poststelle jemals eingetroffen ist. Im Karton befand sich dann noch eine ganz spezielle Überraschung: ein digitaler Zuspieler, mit dem die volle Auflösung des 4K-Panels für die schärfsten Bilder und Filme genutzt werden kann, die unser Screening-Raum jemals gesehen hat.
Full HD ist viel zu wenig
Eine der entscheidenden Herausforderungen, an denen der technische Durchbruch von 3D ohne Brille bislang gescheitert ist, ist die Auflösung des Displays - und dieses Problem wird gerade gelöst. Es muss nämlich jedem Auge, das zuschaut, ein eigenes Bild geliefert werden. Bei Toshiba hat man sich für sage und schreibe neun potenzielle Blickwinkel entschieden, was die Auflösung des 3D-Bildes auf ein Neuntel der Display-Auflösung herabsetzt.
Kurz nachgerechnet: Breite und Höhe werden jeweils gedrittelt und man käme bei Full HD auf lächerliche 640 x 360 Pixel - nicht einmal die Auflösung der veralteten NTSC-Technik. Toshiba nutzt ein brandneues 4K-Panel mit vierfacher Full-HD-Auflösung (3.840 x 2.160 Pixel) und kommt damit auf exakt 1.280 x 720 Bildpunkte pro Blickrichtung, was man bereits mit ruhigem Gewissen HDTV nennt. Man bedenke, dass beide Augen gleichzeitig unabhängig voneinander eine solche Auflösung zugespielt bekommen.
Zur Theorie
Wie genau das Display mit den darüber liegenden Linsen zusammenarbeitet, die ein komplettes TV-Bild exakt auf ein Auge lenken, wollten die japanischen Entwicklungsingenieure uns nicht bis ins letzte Detail erklären. Erst hieß es, die Linsen könnten gezielt ihre Strahlformation ändern, um den Augen zu folgen, wenn man sich bewegt.
Dann, dass sie fest stehen, aber abschaltbar sind. Letzteres ist eindeutig mit bloßem Auge zu erkennen, wenn man nahe genug am Fernseher steht. Im 2D-Betrieb existieren kaum Pixelstrukturen; doch wenn man auf 3D umschaltet, wird das Bild deutlich grober.
Neben der Auflösung ist für den Genuss von 3D ohne Brille entscheidend, wie abhängig die Bilder von der Betrachtungsposition sind. Bei den ersten Varianten musste man einen festen Platz in der Mitte einnehmen; bewegte man sich nur um 6,5 cm, wurden das rechte und linke Auge vertauscht und der 3D-Eindruck komplett negiert. Jetzt sieht man, dass Toshiba mit neun nebeneinander liegenden Blickpositionen einen großen Schritt in der 3DEvolution weiter ist.
Bewegt man den Kopf leicht, wird der 3D-Eindruck schwächer. Die rechenstarke CEVO Engine, das Prozessorherz des 55ZL2G, verfügt jedoch über genügend Leistung, um die Blickwinkel so zu verschieben, dass der 3D-Eindruck in Grenzen gewahrt bleibt. Rechts neben dem rechten Auge wird ein Blickwinkel projiziert, für den es sozusagen das passende linke Auge ist. Bewegt man sich dann um einen Augenabstand nach rechts, ist wieder bzw. immer noch alles in Ordnung.
Das gelingt Toshiba für neun Augenabstände, also gut einen halben Meter Positionsbreite. Rechts und links daneben werden dieselben neun Blickpositionen noch jeweils doppelt wiederholt. Insgesamt kann man also mit bis zu fünf Zuschauern im bequemen Sitzabstand auf dem Sofa gleichzeitig brillenloses 3D genießen. In unseren Tests haben sogar neun Zonen geklappt, wobei die vier äußersten jedoch tatsächlich unrealistisch großen Blickwinkeln entsprechen.
Da sich die Views strahlenförmig vom TV ausbreiten, muss ein optimaler Abstand definiert werden, in dem die neun Sichtweisen exakt dem Augenabstand entsprechen. Der wurde von Toshiba mit 2,2 Metern gewählt und sollte für beste Qualität auch eingehalten werden. Ausnahmsweise dürfen Kinder etwas näher am Fernseher sitzen, weil ihre Augen näher zusammenstehen.
Die 3D-Qualität ist aber auch mit Toshibas System nur perfekt, wenn die Augenposition exakt die Bildinformationen bekommt, die sie benötigt. Dies geht nicht ohne Kamera: Sie erkennt die Gesichtsumrisse mehrerer Zuschauer und optimiert die Betrachtungsperspektiven auf die Zuschauerpositionen hin. Man kennt das von 3D-Laptop-Lösungen, die es auch vom Vorreiter Toshiba gibt und deren 3D-Linsen peinlich genau und in Echtzeit den Augen des Benutzers folgen.
Ganz so "schlau" ist der 55ZL2G nicht, muss er doch mehreren Zuschauern gerecht werden. Tests mit ständiger Anpassung der Blickpositionen haben laut Toshiba keine zufriedenstellenden Ergebnisse geliefert. Der Blick einer Person wurde manchmal zu stark verändert, wenn eine andere sich bewegte. Toshibas aktuelle Lösung: Der Fernseher stellt sich per Knopfdruck auf die Positionen aller gefundenen Personen ein und harrt dort aus.
Bewegt man den Kopf etwas, wird das 3D-Bild weicher. Drückt man den Tracking-Knopf auf der Fernbedienung, ist wieder alles gut. Im Optionsmenü findet man eine manuelle Kalibration und die per Video unterstützte Automatik, die Zuschauer und die bestmöglichen Sehpositionen anzeigt. Setzt man sich exakt in die angezeigten "Sweetspots", wird das 3D-Bild optimal.
In der Praxis
Die Erwartungen an 3D ohne Brille sind sehr hoch, zumal der Fernseher 8.000 Euro kostet. Bedenkt man die extrem aufwendige Technik, die für das Weglassen der Brille erforderlich ist, erscheint der Preis gerechtfertigt. Wer ein genauso scharfes Bild wie mit der Shuttertechnik - vielleicht sogar noch besser, weil flimmerfrei - und mit so gutem Übersprechverhalten und Blickwinkel wie bei 3D-TVs mit Polfilterbrillen erwartet, wird aber enttäuscht.
Zum einen gibt es beim 55ZL2G die "Sweetspots", von denen aus gesehen das 3D-Bild besonders beeindruckend wirkt. Eine absolute Freiheit der Sehposition ist also nicht gegeben - jedenfalls nicht für perfekte Qualität. Und natürlich wird die Auflösung einer 3D-Blu-ray (Full HD für jedes Auge) nicht in absolut perfekter Schärfe abgebildet. Beides haben wir auch nicht erwartet, daher waren unsere Eindrücke eher positiv; vor allem ist der 3D-Eindruck um Welten besser als bei der Demo auf der letzten IFA.
Drei Zuschauer auf einem Sofa werden gut von den 3DLinsen angepeilt, und man gewöhnt sich daran, den Kopf in der richtigen Position zu behalten oder mal den Ausrichtungsknopf zu drücken. Die Kamera ist äußerst lichtstark, sodass die Beleuchtung vom TV mit einigermaßen hellen Filmen bei völlig abgedunkeltem Raum zur Gesichtserkennung ausreichte. Brillen, dunkle Haut und vor allem Vollbärte spielen der Technik jedoch gern einen Streich.
Das 3D-Erlebnis ohne Brille entspricht jedenfalls mehr dem natürlichen Sehen. Das Hineinsehen in die Szene wirkt echter, auch wenn die Tiefe gegenüber den Brillenvarianten etwas verhaltener ausschaut - aber auch nicht so reißerisch.
Wir haben den 55ZL2G vielen Unbedarften und Probanden mit Erwartungshaltung vorgeführt. Die Aussagen reichten von "klappt ja gar nicht" bis "sieht sensationell aus" und sie ließen sich keiner Testgruppe zuordnen. Die Leihzeit des Gerätes reichte für intensive Studien nicht aus. Unser Testmuster war Hardware-seitig noch auf dem Stand der Vorserie und durfte daher nicht bewertet werden. In einigen Punkten soll es Verbesserungen geben. Wir sind schon sehr gespannt auf das Seriengerät, das wir in einer der kommenden Ausgaben testen wollen.
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